Krankheiten als Folge nicht gelebter Gefühle (Interview mit Hans Rebhan)
Vor allem körperliche Symptome werden oft als vererbte Dispositionen oder “Schicksalsschläge” gesehen: Das Übergewicht, das bereits der Vater und der Großvater gehabt hätten. Die Krebserkrankung, an der bereits die Schwester und die Mutter verstorben seien. Wissenschaftliche Studien reduzieren das Vererbungsrisiko aber auf bis zu 5%. Wir scheinen in unseren Genen Dispositionen für bestimmte Krankheiten zu haben, können aber vieles dazu tun, damit diese nicht zum Ausbruch kommen. Hier können wir ansetzen.
„Du siehst die Ursache für viele psychische und somatische Krankheitssymptome in unserem Umgang mit Gefühlen?“
Wenn ich in eine Situation komme, in der ich mich nicht respektiert oder sogar angegriffen fühle, also Erfahrungen mache, die mir in diesem Moment nicht gut tun, gibt es nützliche und eher hinderliche Wege damit umzugehen. Mit dem Wissen um ZIFF werde ich, wenn ich ein unangenehmes Gefühl spüre, das Gefühl zu Ende fühlen. Ich nehme es an und lasse es von alleine zu Ende gehen, damit sich gar nicht erst eine Spannung aufbauen kann. In unserer Kultur und in vielen anderen Kulturen dieser Welt wird jedoch üblicherweise versucht, Gefühle mit dem Verstand unter Kontrolle zu bringen. Das mag zwar kurzfristig gelingen, funktioniert aber auf Dauer nicht. Wenn ich zu jemandem sage: „Versuche dich jetzt fünf Minuten lang zu schämen“, lacht jeder, weil er es als Witz ansieht. Genauso ist es, wenn wir auftretende Gefühle mit dem Verstand in den Griff bekommen zu wollen. Es geht nicht.
„Du siehst die Ursache für viele psychische und somatische Krankheitssymptome in unserem Umgang mit Gefühlen?“
Wenn ich in eine Situation komme, in der ich mich nicht respektiert oder sogar angegriffen fühle, also Erfahrungen mache, die mir in diesem Moment nicht gut tun, gibt es nützliche und eher hinderliche Wege damit umzugehen. Mit dem Wissen um ZIFF werde ich, wenn ich ein unangenehmes Gefühl spüre, das Gefühl zu Ende fühlen. Ich nehme es an und lasse es von alleine zu Ende gehen, damit sich gar nicht erst eine Spannung aufbauen kann. In unserer Kultur und in vielen anderen Kulturen dieser Welt wird jedoch üblicherweise versucht, Gefühle mit dem Verstand unter Kontrolle zu bringen. Das mag zwar kurzfristig gelingen, funktioniert aber auf Dauer nicht. Wenn ich zu jemandem sage: „Versuche dich jetzt fünf Minuten lang zu schämen“, lacht jeder, weil er es als Witz ansieht. Genauso ist es, wenn wir auftretende Gefühle mit dem Verstand in den Griff bekommen zu wollen. Es geht nicht.
„Wir setzen unseren Verstand ein, um ein unangenehmes Gefühl, das ich nicht haben will, einfach nicht zu fühlen? Eine Vermeidungsstrategie?“
Ja. Manche Menschen glauben auch, dass psychische Symptome, wie z.B. Ängste, verschwinden, wenn sie nur verstanden haben, weshalb sie immer wieder kommen. Also denken sie ständig darüber nach. Andere kämpfen innerlich dagegen an, um das Gefühl nicht zuzulassen. Alle diese Versuche scheitern letztlich. Ich bekomme die unangenehmen Gefühle zwar kurzfristig weg, weil ich abgelenkt bin, sie sind aber immer wieder da, wenn eine ähnliche Situation auftaucht.
„Heißt das: Wenn ich keinen Verstand hätte, jetzt mal etwas überspitzt formuliert, dann hätte ich auch keine Probleme mehr?“
Ein natürlicher Umgang mit Gefühlen findet sich bei allen Säugetieren, die – wenn Du so willst – den Vorteil haben, dass sie keine Sprache und keine Intelligenz besitzen. Ein Beispiel: Ein kleiner Hase ist das erste Mal alleine auf einem Feld. Es gibt jede Menge zu fressen und es geht ihm richtig gut. Aber er kennt die Gefahren der Welt noch nicht. Ein streunender Hund schleicht sich an. Hunde haben im Allgemeinen die Gewohnheit, einen Hasen tot zu beißen, wenn sie ihn erwischen. Der Hund hält mit seiner Schnauze auf den kleinen Hasen zu. Der Hase sieht ihn und bekommt schlagartig Todesangst. Die Todesangst bewirkt, dass er drei Hormone produziert – Adrenalin, Noradrenalin und Kortison. Das führt dazu – und zwar innerhalb von Bruchteilen von Sekunden – dass sein Herz bis zu fünfmal schneller schlägt und der kleine Hase kurzfristig die vier- bis fünffache Körperkraft zur Verfügung hat. Dadurch kann er mit einer Geschwindigkeit ausreißen, wie er sie bisher noch nie erlebt hat. Nehmen wir an, der Hase schafft es in seinen Bau und der Hund kann ihm nicht folgen. Jetzt ist er in Sicherheit. Ein Mensch würde sich jetzt sagen: „Ich brauche keine Angst mehr zu haben, ich bin in Sicherheit, mir kann nichts mehr passieren“. Das kann der kleine Hase nicht, weil er keine Sprache hat. Er steht da, völlig unbeweglich oder leise zitternd am ganzen Körper, und fühlt die Todesangst. Und er fühlt sie voll und ganz. So dauert die Todesangst ungefähr drei bis vier Minuten und dann ist sie zu Ende, völlig weg. Der Hase dreht sich um, geht wieder zum Ausgang, schaut vorsichtig hinaus. Der Hund ist weg. Dann geht er wieder auf das Feld und frisst in aller Ruhe weiter. Er hat keine Angst mehr. Sie wird auch nicht mehr einfach so hoch kommen, denn die Erfahrung dessen, was gerade passiert ist, hat der Körper integriert. Ab sofort wird der Hase wieder ganz normal fressen, auch wenn er irgendwo ist, wo etwas passieren könnte. Aber er wird immer wieder den Kopf heben und sich umschauen, ob ein Hund kommt. Wenn einer kommt, bringt er sich in Sicherheit. Er weiß sofort, dass er sich mit dieser Wahnsinnsgeschwindigkeit in Sicherheit bringen kann. Er lebt somit nach dieser Erfahrung wesentlich sicherer als vorher. Das ist der Sinn von Angst.
Und was machen Menschen? In einer Situation, die ihnen Angst macht, versuchen sie innerlich dagegen vorzugehen, sie mit ihrem Verstand zu lösen. So wird sie immer wieder vertagt und kann nicht verschwinden. Die Erfahrung wird nicht integriert. Und wenn dann soviel zusammengekommen ist, dass es einfach zu viel wird, und der Körper es nicht mehr wegstecken kann, dann reagiert er mit einer Depression.